Ein langer Abschied

Die Auswirkungen der weltweiten Covid-19 Pandemie holen uns auch in Sambia immer wieder ein. Viel zu früh beginnt der lange Abschied von unserer langen Reise. Doch bevor wir nach Hause zurückkehren, geniessen wir noch einmal herzliche Gastfreundschaft und aussergewöhnliche Natur.

Lusaka, Sambia, 28 423 km

Welcome to Namibia? 

Am frühen Morgen erreichen bei Sesheke den Caprivistreifen – ein kleiner Zipfel Land, der den Nordosten Namibias mit Sambia verbindet. Ende des 19. Jahrhunderts verschaffte Reichskanzler Caprivi der Kolonie Deutsch-Südwestafrika einen Zugang zum das viertgrößte Flusssystem in Afrika. Uns interessiert heute kein historischer Klüngel, denn wir haben eine heikle Mission: die Grenze nach Namibia meistern. Doch die Lage im Süden Afrikas ist angespannt. Covid-19 Infektionen steigen exorbitant. Überall heisst es in diesen Tagen: Lockdown, Grenzen dicht, harte Massnahmen. 

Reifenwechsel auf einsamer Strasse
Auf Wiedersehen Sambia? Plattfuss kurz vor der namibischen Grenze

Die sambischen Beamten sind ganz relaxed. Wir sollen bis zum namibischen Grenzzaun durchfahren und den Ausreisestempel gegebenenfalls später holen. Im öden Niemandsland begrüsst uns ein verbeultes Schild, auf dem man mit Mühe die Worte „Welcome to Namibia!“ entziffern kann. Vor einem massiven Eisentor staut sich eine lange Reihe Sattelschlepper. Die Fahrer stehen müde herum, plaudern oder dösen. Geldwechsler drücken sich zwischen den Fahrzeugen herum.

Die Grenzer auf der anderen Seite der Gitterstäbe lauschen unserem Anliegen mit ratlosen Gesichtern. Dann erscheint ein Gesundheitsbeauftragter, der Aktivismus verbreitet und Fieber misst. Plötzlich freuen sich alle: Kein Problem, man müsse das nur schnell mit den Vorgesetzten klären. Es folgt langes Warten. Wird doch alles glimpflich ablaufen wie beim letzten Mal? Oder heisst es Abschied nehmen von unseren Hoffnungen und Plänen?

Als schliesslich zwei streng blickende Damen auftauchen, wissen wir intuitiv, dass unsere KTMs die Namib-Wüste nicht befahren werden. Die Ladies machen klar: hier kommen nur Güter rein. Jegliche Diskussion: zwecklos. Unser Traum von Namibia: aus und vorbei.

Zum zweiten Mal gestrandet

Ngonye Wasserfälle
Ngonye Wasserfälle im Osten Sambias

Nach diesem Tag ist irgendwie die Luft raus. Es geht weiter durch den ursprünglichen Südwesten Sambias. Wir erforschen einsame Wasserfälle, passieren naturnahe Dörfer, begegnen archaischen Maskenträgern. Trotzdem kommt keine Begeisterung auf. Gigantische schneeweiße Sandbänke geben dem Sambesi ein völlig neues Gesicht. Aber nach zwei Monaten in Sambia überwältigt uns jetzt das Gefühl, wieder fest zu hängen.

Situationen, die wir sonst mit einem Lachen und viel Geduld bewältigt haben, nerven plötzlich nur noch: Der Uniformierte an einer Strassensperre, der LKW-Gebühren von uns fordert. Die Unterkunft mit voll ausgestatteter,  vollmundig angepriesener Küche, wo der Herd gar keinen Gasanschluss hat – was wir erst beim Kochen feststellen. Das Hotel mit Doppelzimmer, wo es Frühstück nur für eine Person gibt. Die gescheiterten Verhandlungen über einen Ausflug in die Lieuwa Plains, wo uns  ausschweifende Geschichten erzählt werden, warum man gerade heute kein Benzin auftreiben oder am frühen Morgen losfahren kann.

Im August weht ein kräftiger Wind über das Land. Der aufgewirbelte Staub hängt als trüber brauner Schleier am Himmel. Nach einer langen Rundreise stehen wir schliesslich zum zweiten Mal am Eingang des Kafue Nationalparks. Es scheint Ewigkeiten her zu sein, dass wir hier einige sehr unterschiedliche Persönlichkeiten kennen gelernt haben, die eins gemeinsam haben: ihre Leidenschaft für einen bedrohten Nationalpark.

Wer rettet den Kafue?

Der Kafue ist Sambias ältester und größter Nationalpark. Mit 22,400 Quadratkilometern umfasst er eine Fläche, die grösser als Rheinland- Pfalz ist. Wilderei, Bevölkerungsdruck und Brandstiftung haben Flora und Fauna stark zugesetzt. Während manche Europäer den „Kriegszustand“ in afrikanischen Schutzgebieten kritisieren, zeigt sich die sambische Regierung in dieser Region gar nicht wehrhaft. Hat die Vernachlässigung des Parks Methode? Gerüchte besagen , dass hochrangige Politiker am Geschäft mit Wildtieren beteiligt sind.

Die jungen Holländer Kelli & Lars machen die Armut der Landbevölkerung für Wilderei und Abholzung verantwortlich. Ihre Graswurzel-Initiative „By life connected‚ will Gemeinwesen und Naturschutz in den Dörfern rund um den Nationalpark stärken. Die lokalen Farmer sollen am wirtschaftlichen Gewinn des Kafue beteiligt werden. „Wir sehen uns als Vermittler, die die verschiedenen Interessengruppen miteinander vernetzen.“ erläutert Kelli.

Neben den Initiativen ‚‚Farm to Table’ und ‚Waste to Wealth‘ experimentieren die beiden Enthusiasten mit  Bio-Gemüse-Anbau, Wurmkompost, alternative Baukonzepte und energiearme Öfen. „Wenn wir feststellen, dass ein Projekt gut funktioniert, geben wir es an einen Menschen aus dem Dorf ab, der es dann selbstständig betreibt.“ erzählt Lars. Ein Cafe und eine Auto-Werkstatt sichern bereits einigen Einheimischen ein Einkommen.

Flusslandschaft im Abendlicht
Am Kafue Fluss

Im Fokus steht die Zusammenarbeit mit den Betreibern der Unterkünfte für Touristen. Allerdings sind einige davon ziemlich skeptisch, wie zum Beispiel Andy und Libby. Die beiden Individualisten leben fast anderthalb Stunden vom Parkeingang entfernt mitten im Busch.

In ihrer kleine Lodge Kasabushi gibt es keinen Handyempfang. Um wenigsten ein paar Stunden WLAN zu betreiben, werfen die zwei Einsiedler vormittags Diesel-Generator an. Die beiden lieben das rauhe, einsame Leben mitten in der Wildnis. Ihr Wohnzimmer ist offen und luftig. Das sog. „Roundhouse“ lässt die Elemente und Natur herein. Solarpanele liefern Strom, das Wasser kommt aus dem Fluss.

Zum Einkaufen müssen sie bis in die Haupstadt Lusaka fahren. „Für die einfache Strecke brauchen wir mindestens 5 Stunden. Am selben Tag zurück kommen ist ziemlich stressig“ berichtet Libby. „Deshalb planen wir für`s Shoppen meistens zwei Tage ein.“ Regelmässig transportieren sie so die Abfälle aus dem Camp heraus. Ob es nicht einfacher sein könnte, wenn die Leute im Dorf sie mit Lebensmitteln versorgten und gleichzeitig den Müll recyclen würden? Andy winkt ab, das Engagement der Holländer hält er für „naiv“.

Gleichzeitig ärgern sich die beiden Naturliebhaber maßlos über die vielen Waldbrände und den schwindenden Tierbestand. Stoisch dokumentiert Andy illegale Fischerei und meldet Verstösse gegen die Parkordnung bei den Behörden. „Aber die machen gar nichts“, erzählt er uns frustriert.  Seine Hoffnung besteht darin, dass die Organisation African Parks künftig das Management des Kafue Gebietes übernehmen wird. Die Nonprofit-Organisation geniesst einen guten Ruf und hat namhafte Vertreter, wie z.B. Prinz Harry.

Wir hoffen sehr, dass irgendwer – ein Prinz oder vielleicht braucht es besser eine Fee – den Kafue Nationalpark retten wird. Als wir Kasabushi verlassen, verdunkelt wieder einmal eine hohe Rauchsäule den Himmel.

Wie einfach Glück sein kann!

Glauben wir dem Auswärtigen Amt oder werden wir philosophisch? Die deutsche Auslandsvertretung warnt überdeutlich: „Die sambischen Nationalparks sind keine Zoos mit Absperrung sondern voll mit wilden und gefährlichen Tieren“. Aber hat nicht Friedrich Nietsche dazu aufgerufen, gefährlich zu leben?

Piste mitten im Busch
Good Bye Kafue: schweisstreibende Piste durch den Nationalpark

Mit „Schickt eure Schiffe in unerforschte Meere!“ hat der Philosoph wahrscheinlich nicht die afrikanische Wildnis gemeint. Doch wir stehen jetzt zum zweiten Mal vor dem Kafue Nationalpark und diesmal wollen wir da durch! Und zwar mit KTM!!

Tatsächlich funktionieren heute die Dinge in Afrika mal wieder so, dass sich unsere schlechte Stimmung schlagartig in Luft auflöst. Wir plaudern freundlich mit dem Ranger, scherzen ein bisschen rum und werden uns dann schnell einig, dass wir für 2×2 Räder so viel Eintritt zahlen wie für ein Auto. Der Schlagbaum hebt sich und vor uns liegt eine knapp 200 km lange Piste quer durch gefährlichen, einsamen Busch.

Schon auf den ersten Kilometern kommt uns mitten auf der Strecke wiegenden Schrittes ein riesiger Elefant entgegen. Sein Rüssel schaukelt nach rechts und links, seine gigantischen Stosszähne sind beeindruckend. Unbeirrt schlendert er weiter und dreht erst kurz vor uns ins Gebüsch ab. Auch auf der Weiterfahrt scheint es, als wolle die hiesige Tierwelt uns „Auf Wiedersehen“ sagen.

Pukus schauen uns mit aufgerichtete Ohren aufmerksam nach. Krachend brechen prächtige Wildbeast- und Säbelanthilopen aus dem Gehölz hervor. Zwischen den Blättern blitzen die weisse Streifen an den Flanken der hochbeinigen Kudus auf. Warzenschweine flitzen hektisch kreuz und quer durchs Gebüsch. Der Fahrweg wird immer schmaler. Er ist durchsetzt von Rinnen und Löchern und wird  von einem goldfarbenen Gräsermeer gesäumt. Die Sträucher peitschen uns ins Gesicht, als wir stehend über die Piste brausen. Im Kühler werden wir die Halme bis nach Deutschland tragen.

Kudu Anthilope
Kudus können 160 cm Schulterhöhe erreichen

Als wir schliesslich den dunkelblau leuchtenden I-Teshi Teshi See erreichen, scheuchen wir grosse Impala-Herden auf. Kurz hinter der Parkgrenze leben unsere Freunde Ruth und Brad. So wie wir zur Zerstreuung ins Kino gehen, verbringen sie ihre Freizeit  mit „Game Rides“. Ihre Verwandten finden, die beiden gebürtigen Afrikaner sollten in Corana Zeiten besser zu Ihnen nach England ziehen. „Aber was soll ich dort?“ fragte Brad, als wir uns vor einigen Wochen kennen lernten. „Hier habe ich alles, was ich brauche: den See, die Natur, die herrlichen Tiere“.

Über unsere Ankunft freut sich auch der eigenwillige Dackel namens „Bwana Sausage“. Am Abend steht ein Grillfest an. „Ich habe den Nachbarn gesagt: wir bekommen Besuch von der Familie. Ohne die Deutschen kommen wir nicht!“ grinst Brad. Wir lassen die Fahrt durch den Park mit einem kühlen Bier auf der Terasse ausklingen. Müde und staubig grinsen wir um die Wette. Ich könnte heute die ganze Welt umarmen. Nach einer wunderschönen Motorradtour von lieben Menschen Willkommen geheissen werden, ein leckeres Getränk, den Staub vom Körper duschen, Essen, die Sonne im Gesicht spüren – wahres Glück ist manchmal so einfach!

Wer hat an der Uhr gedreht?

Abschied und Verpacken der Motorräder
Tschüss Lusaka: Verpacken der Motorräder

Zurück in der Hauptstadt kostet es uns eine Woche und jede Menge Nerven, bis der Rücktransport der Motorräder organisiert ist. Zum Glück gibt es eine tägliche Flugverbindung von Lusaka nach Frankfurt. In allen Nachbarländern geht zur Zeit gar nichts.

Dann schwingen wir uns noch ein letztes Mal auf die Enduros zu einer Abschiedstour an den Lower Sambesi. An und in dem herrlichen, abwechslungsreichen Nationalpark kommen wir der Natur noch einmal ganz nah. Wie eine Herde Paviane unser Zelt plündert und wie wir einem Elefanten-Angriff knapp entkommen, sind Geschichten, die wir euch bald zuhause erzählen können.

Kurz vor der Regenzeit, als die Bäume in Sambia beginnen, sich in intensivstes Rot, Gelb und Gold zu kleiden, ist es Zeit für uns, nach Hause zurück zu kehren. Wir fühlen uns müde und trotzdem erfrischt. Wir sind traurig und freuen uns gleichzeitig auf Familie und Freunde. Wir sind voll mit schönen Eindrücken und vermissen jetzt schon Vieles und Viele.

Eines wird uns ganz sicher fehlen:

Ein Jahr Freiheit und Abenteuer. Immer mit Wind im Gesicht.

 

Thank you!

This blog is dedicated to all the wonderful people we met on our way through Africa! With some we had only brief encounters, with others we became close friends with. We deeply appreciate your joy, laughter and enthusiasm, your hospitality and support. Thank you for sharing your ideas and opinions with us, for making us feel at home in difficult times and for letting us being part of your family!

You will always be in our hearts!

With lots of love, Jutta and Markus

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8 Kommentare bei „Ein langer Abschied“

  1. schön, dass ihr wieder da seid!
    die feinen geschichten werd ich vermissen…

  2. Mwashebukeni
    Hoppla, das ging auf einmal aber schnell.
    Dann eben doch Schoten- Boule auf Terschelling?
    Schön,das alles bis auf Euer allerletztes Ziel zu erreichen, so gut geklappt hat.
    Bis die Tage May

  3. schließe mich an,
    schön Euch wieder im Land zu haben, auch wenn Ihr sicher noch gern hättet weiterreisen wollen.
    Wünsch Euch ein ruhiges Ankommen ohne zu großen Kulturschock.

  4. HI Weltenbummler, hallo Jutta, hallo Markus
    wie schön euch gesund und munter in eurer Heimat Kölle zu wissen.
    Ein Jahr voller Ereignisse für euch und uns.
    Merci für die Teilhabe an eurer Abenteuer-Reise durch wundervolle Schrift- und Bildbeiträge!!!
    Einen sanften Start in den „Alltags-Berufs-Wahnsinn“ wünscht euch
    die Sippe aus MK, BI und FR 🙂 🙂 🙂

  5. WILLKOMMEN ZURÜCK !!

  6. feiner letzter post. ich will dia-show!1!!1 ; )

  7. Fein das ihr wieder heil zurück gekommen seid. Markus wird wohl aus dem Berufsleben aussteigen 😃 und sich mehr um’s Motorradfahren kümmern.

  8. ✊✊🏽✊🏿❤️✊✊🏽✊🏿

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