Kili-Time

Wer den Kilimanjaro nicht gesehen hat, hat Afrika nicht gesehen, heißt es. Doch einen Blick auf den beeindruckenden Gipfel zu erhaschen, will uns einfach nicht gelingen. Dabei halten wir uns lange im Norden Tansanias auf und machen dort die verblüffensten Entdeckungen.

Moshi, Tansania, 19 584 km

In den Usambara Bergen

Das Usambara-Veilchen kannte ich bisher nur als eine etwas bieder wirkende Topfpflanze. Erst in Nordtansania wird mir  klar, dass das Gewächs aus einer der artenreichsten Regionen der Welt stammen. Von den 30 Millionen Jahre alten Regenwäldern existieren heutzutage noch einige Fleckchen. Doch Chamäleons findet man in den Usambara Mountains praktisch in jedem Garten.

View point usambara mountains
Usambara Mountains: Bis zu 2300 m hohe Berge mit viel Aussicht

Am Mambo View Point starren wir gebannt in die dichten Schwaden um uns herum. Gute zwei Stunden haben wir vom knapp 60 Kilometer entfernten Lushoto gebraucht. Ein rauhes Pistenlabyrinth schlängelt sich durch eine dicht besiedelte Kulturlandschaft mit bunten Märkten. Jetzt fällt die Steilwand direkt vor unseren Füssen quasi 1000m senkrecht ab. Hin und wieder geben die Regenwolken einen kleinen Blick auf eine atemberaubende Landschaft frei.

„Heute Morgen habe ich den Kili noch gesehen“ grinst Michi ,“aber gegen Mittag zieht sich der Himmel immer zu“. Den deutschen Overlander hat es durch die Covid-19 Pandemie in die Mambo Ökolodge verschlagen. Nun hilft er vorübergehend bei einem der Infrastrukturprojekte aus. Auch andere Langzeitreisende haben in dem zerklüfteten Gebirge an der Grenze zu Kenia eine Homebase auf Zeit gefunden. Wir genießen inspirierende Gespräche mit den italienischen Fahrradfahrern Daniele und Elena. Wer seit 4 Jahren unterwegs ist, kann auch Corona entspannt aussitzen: Gerd und Jutta haben sich ihren Lebenstraum erfüllt und sind im Kat zuhause.

Magamba Forest: uralte Wälder mit endemischen Arten

Schon die deutschen Kolionalisten schätzten das kühle und malariafreie Höhenklima der Usambaras. Wir hingegen sind froh, dass unsere Unterkunft über einen offenen Kamin verfügt.

Von der nah gelegenden Kirche dringen in diesen Tagen besonders inbrünstige Gesänge und Gebete herüber. Der gläubige Staatschef Magufuli hat die Tansanier zu drei Tagen „Prayer Time“ aufgerufen. Im Leib Christi könne Corona nicht überleben, so der Präsident. 

Wir haben gerade ganz andere, irdische Sorgen: im dauerfeuchten Klima der letzten Wochen haben Schlafsäcke und Kleidung in den wasserfesten Packtaschen angefangen zu schimmeln. Waschen und Trocknen der Ausrüstung hält uns eine ganze Weile auf Trapp: sobald die Sonne durch die Wolken bricht, tragen wir alles zum Trocknen in den Garten. Oft wechselt das Wetter aber schlagartig und wir müssen alle Sachen kurz darauf wieder vor sindflutartigem Regen retten.  

WG am Kilimanjaro 

„It’s Kili-Time“ wirbt die tansanische Biermarke unseres Vertrauens. Doch in Bezug auf das grösste Bergmassiv Afrikas scheint unsere Zeit noch nicht gekommen. Der 5895 m hohe Kilimanjaro versteckt sich beharrlich hinter einer dichten Wolkendecke.

Traditionelle Kaffeeröstung im Schatten des Kili

Die dicht besiedelte Region am Fuße des Vulkans leidet in der Coronakrise besonders unter den fehlenden Einnahmen aus dem Tourismus. “Die Leute haben einfach angefangen auf den Brachflächen im Ort Gemüse anzubauen, damit sie wenigstens etwas zu essen haben“ erzählt uns Kirsten. Sie und ihr tansanischer Lebenspartner Shungu haben uns eingeladen, bei ihnen in Moshi zu wohnen. 

Die nächsten Wochen geniessen wir ein unbeschwertes und herrlich normales WG-Leben. Wir kochen gemeinsam, sitzen plaudernd im Garten und machen Ausflüge in die Umgebung. Kirsten und Shungu betreiben neben einem Hostel die Reiseagentur Kilimanjaro Safari Experience und kennen sich überall bestens aus. Dank ihnen lernen wir Orte kennen, die Touris normalerweise nicht selbst finden würden.

Der geraubte Kopf 

Mangi Meli: Angehörige suchen noch heute seinen Kopf

An den tropisch-grünen Hängen des Kilimanjaro erinnert eine ausladende Akazie an ein brutales Kapitel der deutschen Kolonialzeit . Die hier lebenden Chagga leisteten lange Zeit erfolgreich Widerstand gegen die Invasoren. Doch im Jahr 1900 verurteilten die Deutschen deren Anführer Mangi Meli zum Tode und erhängten ihn an jenem Baum. Doch damit nicht genug: anschließend wurde die Leiche geköpft und der Schädel nach Deutschland geschickt.

Heute, ganze 120 Jahre nach der grausamen Tat, suchen die Hinterbliebenen immer noch nach Melis sterblichen Überresten. Die deutschen Museen tun sich offensichtlich schwer mit der Aufarbeitung ihrer kolonialen Vergangenheit. Mehrere Tausend Schädel und andere menschliche Körperteile sind damals zur „Rasseforschung“ von Deutsch-Ostafrika nach Europa verschifft worden. Viele Leichenteile verschwanden in Privatsammlungen und gelten heute als verschollen. Im ehemaligen Verwaltungssitz Old Moshi zeigt eine eindrucksvolle Ausstellung Fotos und Hintergründe.

Engagierte Tier- und Naturschützer 

Nach dem Trip in die uns bislang unbekannte deutsche Historie, ist unser nächster Ausflug deutlich heiterer Natur. Auf der Makoa Farm finden wir uns inmitten frei galoppierender Pferde und glücklich grunzender Schweine wider. Die Tierauffangstation der NGO Kilimanjaro Animal C.R.E.W  (Center for Rescue, Education and Wildlife) kümmert sich um verletzte und verwaiste Haus- und Wildtiere.

Die Elefantenkinder bekommen viel Pflege von Mensch und Tier.

Eine engagierten junge Tansanierin führt uns durch das riesige Gelände. Die Anlage wirkt wie eine fröhliche Arche Noah: in Gehegen, Ställen, auf Dachböden und in Bäumen wimmelt es von tierischen Patienten. Während der Kranich mit dem geschienten Bein demnächst ausgewildert werden kann, haben die Marabus mit ihren verstümmelten Flügeln, der dreibeinige Cerval und der Gepard mit Sehschwäche hier einen sicheren Hafen für den Rest ihres Lebens gefunden.

Die tierische Wohngemeinschaft kommt auch zwei Elefantenbabies zugute: unter Anleitung von Esel, Zebra und Schaf lernen sie die richtigen Futterpflanzen kennen.

„Wir betreuen zur Zeit ca. 300 Tiere auf unserer Farm“ erzählt uns die Deutsche Elisabeth. „Die Finanzierung ist zur Zeit der aktuellen Corana-Krise mehr als schwierig. Es fehlen die Einnahmen durch stationäre Gäste und Tagesbesucher. Und die hungrigen Mäuler müssen weiterhin versorgt werden.“ Die ambitionierten Tier- und Naturschutz- Projekte des deutschen Fördervereins  unter der lokalen Leitung der Veterinäre Elisabeth und Laslow kann man mit Spenden oder Tierpatenschaften unterstützten.

Spektakuläre Landschaften

Die Gegend im Westen des Kilimanjaro ist ein echter Geheimtip. Das Enduimet Wildlife Management Area dient als Korridor für Elefanten zwischen dem kenianischen Amboseli und dem Mount Kilimanjaro National Park auf tansanischer Seite. Die hier sesshaften Massai lassen ihre Herden gemeinsam mit Gnus und Zebras grasen. Heute sind grosse Gruppen des halbnomadischen Hirtenvolks in der Ebene unterwegs. Irgendwo wird eine Hochzeit gefeiert. Die Männer schreiten stolz mit Speeren in vollen Krieger-Ornat, die Frauen tragen funkelnden Silber- und Perlenschmuck. 

Galoppierende Gnus
Kuh umringt vom Gnu

Nach einer schönen Fahrt mit vielen Tiersichtungen beschliessen wir den Tag mit einem Picknick auf einer Anhöhe mit überwältigendem 360 Grad Ausblick. Vor uns erstreckt sich Savanne bis zum Horizont. Zur Feier des Tages lässt der Mount Meru, der zweithöchste Berg Tansanias, seinen 4566m Gipfel kurz hinter den Wolken hervorluken. Die unteren Flanken des Kilimanjaro leuchten in satten Blau- und Grüntönen. Seine Höhen- wie sollte es auch anders sein  – sind von  dunklen Wolkenmassen verhüllt.

Auf der Strasse nach Süden

Nach den viele Abschieden der letzten Wochen fällt uns der von unseren Gastgebern Kirsten und Shungu besonders schwer. Aber als ein Grenzstreit mit dem Nachbarland Sambia ausbricht, werden wir unruhig. Die tansanische Regierung hat die Zahl der Covid-19 Infizierten seit Wochen nicht mehr aktualisiert und gerät bei den Nachbarstaaten zunehmend in Kritik. Die Gerüchteküche brodelt. So sehr wir Tansania und seine Menschen ins Herz geschlossen haben – wir möchten nicht den richtigen Zeitpunkt zum Weiterreisen verpassen.

endlich Kili-Time: eine Diva lüftet ihren Schleier

Und der Kili? Der hat es verdammt spannend gemacht. Doch als wir eines Abends von einem Enduro-Ausflug nach Moshi zurückkehren, ragt er plötzlich in voller Pracht hinter der Stadt auf. Die beiden schneebedeckten Gipfel des Massivs leuchten im goldenen Abendlicht – kurz vor unserer Abreise zeigt sich uns der höchste Berg Afrikas von seiner besten Seite. Darauf trinken wir ein Kili!

 

5 Kommentare bei „Kili-Time“

  1. hallo Urlauber, schön das es Euch gut geht. Wohin soll denn nun die Weiterreise gehen ?

  2. Vom Kili nach Malawi ist es auch nicht weiter als von Köln nach Barcelona. Das geht doch schnell. Kanne Espresso gekocht und morgen seit Ihr schon da.Wetter ist ja gut.Viel Glück am Grenzübergang,wo immer der auch sein wird. Sehr beruhigte Mini-Golf Grüße May

  3. Hallo Ihr beiden,
    schön von Euch zu hören.
    Toller Bericht der lässt einen träumen.
    Weiter viel Spaß und Erfolg auf Eurer Reise.

  4. Strietzel sagt:

    …den Kili möchte ich auch mal sehen – und trinken! :o)

  5. Und wieder ein Qualitätsbericht aus dem Hause Hartmann/Körbel. Danke daß Ihr uns auf Eure Reise mitnehmt!

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