Zwei Rheinländer am Sambesi

Vielfältige Landschaften, wilde Tiere und ein Name, der nach Abenteuer klingt: der Sambesi fasziniert uns sofort. Als Rheinländer haben wir ein besonders Verhältnis zu grossen Flüssen und fühlen uns hier schnell heimisch.

Livingstone, Sambia, 25 608 km

Familienzuwachs

Dorf mit Baobab
Kontraste: schlichte Dörfer auf dem Land

Sambias Hauptstadt Lusaka erstreckt sich über ein Fläche von ca. 70 km² und ist eine der am schnellsten wachsenden Städte Afrikas. An den Einfallstrassen reihen sich gigantische Shoppingmalls an Fastfoodrestaurants, Sportclubs und gehobenen Gartensiedlungen. Strassenverkäufer balancieren körbeweise Orangen und bunte Plastikbälle an nagelneuen Luxuslimosinen und Geländefahrzeugen entlang, die ihre Türen meist fest verriegelt haben.

In der Grossstadt werden wir von einer bunten Familie auf Zeit herzlich aufgenommen. „Wir nennen Harry unseren ‚Corona-Dad'“ vertraut uns die holländische Marieke an. Sie und Ehemann Jerown sitzen schon seit 5 Monaten in Sambia fest und finanzieren sich die Zwangspause durch Workaway-Einsätze. Besagter Harry bietet zusammen mit Lebensgefährtin Geke Überlandreisenden ein Zuhause an.

David mit DR 350
Seine DR ist fast genauso alt wie er: David, der „Happy Wanderer“

In dem grossen Haus herrscht ein ungezwungenes Kommen und Gehen. Beim „Braai“, dem südafrikanischen Grillen, mit Freunden und Nachbarn sitzen wir oft bei Kerzenschein – in Lusaka fällt fast jeden Tag stundenlang der Strom aus. Irgendwann kehrt eine verstaubte Gestalt von einer Bushtour zurück. Nach drei Jahren „on the road“ ist der Deutsche David mit seiner Suzuki DR 350 ebenfalls in Sambia gestrandet. 

Unsere Lusaka-ToDo-Liste schrumpft erstaunlich schnell. Wir treiben synthetisches Motoröl auf und finden Ersatz für die Schraube am Bremszylinder von Markus KTM. Die ruandische Improvisation aus Sekundenkleber und Sand hat immerhin 3000 Kilometer gehalten. Unsere Klebe-Experimente waren nicht ganz so langlebig. Zuletzt mussten wir den Schraubenkopf täglich vor der Abfahrt abdichten. Zum Totalschaden wird die vermurkste Reperatur unseres Zelts. In der Trockenzet muss nun ein Billigzelt aus dem Discounter ausreichen.

Riesenfische im Sambesi

Ausblick auf der Lropard Hill Road
Auf der Leopard Hill Road zum Sambesi

Die Leopard Hill Road geht südöstlich der Hauptstadt schnell in eine rauhe Piste über, die durch einsame Hügelketten führt. Wir erklimmen steile, steinige Hänge. Dann öffnet sich ein weites Tal und durch das braune Blätterdach strahlt ein tiefblauer Wasserlauf. In der Ebene wird die Fahrspur zu einem Fussweg und wir kämpfen uns mühsam durch Sand und Lehmrinnen weiter.

Schließlich erreichen wir das Ufer. Ein Pavian von der Grösse eines Schäferhundes verschwindet knurrend im Gebüsch. In der Ferne grunzt ein Flusspferd. Auf seinem langen Weg zum Indischen Ozean erreicht der Sambesi hier eine imposante Breite. Auf der stahlblauen Oberfläche treiben Wasserpflanzen, kleine Wellen kräuseln sich. Am viertgrössten Strom Afrikas anzukommen bedeutet für uns mindestens so viel “Jeföhl“ wie den heimischen Rhein zu erblicken.

An der ruppigen Wellblechpiste zwischen dem Lower Sambesi Nationalpark und Chirundu gibt es viele einfache Dörfer und eine Handvoll Lodges. Der „Lower Sam“ ist bei Ausflügler aus Lusaka beliebt. Es gibt hier zwar keine „Monsterfische„, die Jagd auf den Riesen-Tigersalmer ist trotzdem eine grosse Leidenschaft viele Angler.

Während schon am frühen Morgen die Motorboote über den Fluss dröhnen, sind wir mit Schleifarbeiten beschäftigt. Nach der provisorischen Reperatur im tansanischen Moshi streikt der Nehmerzylinder meiner KTM erneut. Ein ganzer Tag vergeht, bis wir einen O-Ring auf die passende Grösse gestutzt haben und die Kupplung wieder Druck aufbaut.

Elefanten trinken am Sambesi
Prost: Sundowner mit Elefanten

Nach dieser feinmotorischen Leistung gönnen wir uns eine Bootstour. Mit ausreichend Bier für den „Sundowner“ bestückt, gleiten wir über den mächtigen Strom. Felder und kleinere Plantagen säumen das Gewässer. Auf der Flussseite Simbabwes reicht der Busch direkt an das Wasser. Als wir eine Insel umrunden, hören wir lautes Krachen und der hohe Schilf schwankt hin und her. Eine grosse Herde Elefanten hat sich hier zum Abendessen versammelt. Vom Wasser aus können wir den Tieren nah kommen und ungewöhnliche Perspektiven auf die friedlich kauenden Dickhäuter geniessen.

Glamping mit Zebra

Piste am Karibasee
Intensives Blau: der Karibasee wird vom Sambesi gespeist

In Chirundu markieren wuchtige Eisenzäune die Grenzstation zum Nachbarland. Aber was macht Markus da bloss? Unbeirrt quert er den Bereich der LKW-Abfertigung und hält auf die Brücke nach Simbabwe zu. Fluchend fahre ich hinterher. Als er endlich bemerkt, dass das GPS ihn gerade zu einem illegalen Grenzübertritt verleiten will, braust er mit lautem Geknatter eilig an den verdatterten Grenzern vorbei zurück auf sambisches Territorium. Die brauchen ein paar Sekunden, um sich zu sammeln und halten nun mein Motorrad mit finsterer Miene an. Es braucht eine ganze Weile und jede Menge rheinischen Humor, um den Irrtum aufzuklären.

An einem der größten künstlichen Seen der Welt verbringen einige unbeschwerte Tage mit unserer „Familie“, die für das Wochenende zum Campen an den Kariba-Stausee gekommen sind. Der Ausflug rangiert eher in der Kategorie „Glamping“, denn dank der gut ausgestatteten Fahrzeuge unserer Freunde gibt es immer kühle Getränke und jede Menge zu essen. Die Zeit vergeht in fröhlicher Runde mit Spaziergängen, Kanu fahren und Segeln. Nur auf ein Bad im krokodilfesten Pool verzichten wir lieber. 

Auf der unspektakuläre Rückfahrt nach Lusaka hängt der Geruch von Rauch in der Luft. In Sambia werden jedes Jahr schätzungsweise 300 000 Hektar Wald gerodet, um Holzkohle zu produzieren. Die Nachfrage ist gigantisch, wie die unzähligen neben dem Asphalt aufgereihten Säcke zeigen. Die Kohle stellt die günstigste Brennstoffquelle für die Mehrzahl der Bevölkerung dar, die auf offenen Feuer kochen. Für die Landbevölkerung ist das Köhlern oft einzige Einnahmequelle.

Lets make a plan!

Die Redewendung „einen Plan machen“ bedeutet in Sambia auch „eine pragmatische Lösung finden“ und passt in jeder Lebenssituation. Für die Weiterfahrt müssen wir jetzt dringend verschiedene Alternativszenarien entwerfen.

Zebras im Sonnenuntergang
Zebras vorm Zelt: immer ein schöner Anblick

Südafrikas Grenzen werden wegen Covid auf längere Sicht geschlossen bleiben. Der namibische Staat plant eine vorsichtige Öffnung, indem eine ausgewählte Gruppe Touristen ins Land gelassen und sorgfältig gemonitort werden soll. Ein Besuch der botschaft vor einigen Wochen stimmte uns verhalten optimistisch. Doch nun, unmittelbar vor Beginn der Initiative, sind die Details noch absolut unklar. Wir beschließen, einen Versuch direkt an der Grenze zu unternehmen.

Unerwartet tut sich ein anderer Problemfall auf, für den wir erst einmal keinen Plan haben. Die sambischen Pisten haben meiner KTM übel zugesetzt. Erst in Nairobi überholt gibt das Federbein jetzt schon wieder den Geist auf. Auch Schrauber Garry weiss keinen Rat – in ganz Sambia kann das niemand reparieren. Wir verbringen ein schlafloses Wochenende, dann kommt die Lösung aus heiterem Himmel. Garry hat ein passendes gebrauchtes Federbein gefunden. Meine Füsse berühren jetzt kaum noch den Boden, aber Hauptsache es geht weiter!

Donnernder Rauch

Wieder zieht es uns an den Sambesi. 850 Kilometer später erreichen wir den Ort, den die Einheimischen einst „donnernder Rauch“ tauften. Im Süden Sambias stürzt der Fluss 110 Meter tief in eine fast zwei Kilometer breite Spalte. Das heutige Weltnaturerbe der UNESCO bekam David Livingston als erster Europäer 1855 zu Gesicht. Er beschrieb den Wasserfall als „das schönste, das er in Afrika je zu Gesicht bekam“, und nannte ihn zu Ehren der britischen Königin „Victoria Falls„. 

Zwischen den bunten Häusern des gleichnamigen Städtchens herrscht ungewohnte Leere. Die Corona-Pandemie trifft die Leute hier hart. Restaurant und Campingplätze sind verwaist. Im  „Devils Pool“ herrscht kein Badebetrieb. Dafür tummeln sich unweit des Shoppingcenters Zebras in den Vorgärten. Beim Abbiegen in die Nebenstrasse kann einem schon mal ein Elefant die Vorfahrt nehmen. Seit 2011 verbindet ein Wild-Korridor die Staaten am Sambesi.

Der Zugang zu den Fällen ist erst vor kurzem wieder geöffnet worden. Wir haben die donnernden Wasserfälle ganz für uns und lassen den Sambesi einfach auf uns niederregnen.

 

 
 
 
 
 

4 Kommentare bei „Zwei Rheinländer am Sambesi“

  1. Beeindruckend wie problemlos Ihr durch Afrika kommt . Weiter so. Ihr habt ja noch etwas Zeit,bis das Oktoberfest in Windhoek anfängt. Das wird immerhin bestimmt der Höhepunkt Eurer Reise Prost May

  2. Tatjana Lichtenstein sagt:

    Hallo ihr beiden!
    Ihr habt gerade wieder meinen Montag Morgen im Büro mit eurem unterhaltsamen Bericht enorm aufgewertet, vielen Dank dafür! Ich wünsche euch weiterhin eine gute Reise und noch viele spannende Erlebnisse!
    Tatjana

  3. Schön wieder von Euch zu hören. Ich drücke Euch die Daumen für die Einreise nach Namibia. Und dass Ihr immer das nötige Ersatzteil bekommt, falls benötigt. :o)

  4. Ciao belli.
    Weiterhin viel Glück. Wenn ihr in Namibia seid habt ihr es ja eigentlich schon geschafft. Die KTM s könnt ihr wohl gleich in Afrika entsorgen 🙂
    Bleibt gesund
    Volker

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