Die Form des Landes Sambia erinnert manche Menschen an einen Schmetterling. Seinen ungewöhnlichen Grenzverlauf erlangte das Binnenland im Herzen des südlichen Afrikas nach der Unabhängigkeit von Rhodesien. Wir begeben uns auf eine skurile Zeitreise und erkunden die Spuren der britischen Kolonialzeit mitten im Busch.
Mfuwe, Sambia, 23 562 km
Rhabarberkuchen in der Wildnis
Eine 400 km lange Etappe durch schier endlose Miombo-Wälder liegt hinter uns. Mitten in der trockenen Baumsavanne zweigte die staubige Piste zu den Kapishya Hot Springs ab. Hier und dort passierten wir ein paar einfache Hütten. Ausser einem Fahrradfahrer, der sich in Schlangenlinien durch den Sand quälte, sind wir stundenlang fast keinem Menschen begegnet. Obwohl Sambia die doppelte Fläche von Deutschland umfasst, leben hier schätzungsweise nur so viele Einwohner wie in Nordrhein Westfalen.
Endlich öffnet ein Mann mittleren Alters mit einem markanten Gesicht das massive Eisentor vor der Kaffeeplantage. Mark Harvey gehört zu einer britischen Pionier-Familie, deren schillernde Geschichte im Buch “The Africa House“ beschrieben ist. Wo schon vor knapp Hundert Jahren der exzentrische Stewart Gore-Brown seinen Whiskey schlürfte, können heute Besucher das 37 Grad warme Naturbecken geniessen. Nach der langen Anfahrt zur Lodge hat man ein bisschen Wellness auch nötig.
Kurz darauf prasselt ein wärmendes Campfire neben unserem Zelt, das wir in gebührendem Abstand vom moorbraunen Fluss aufgebaut haben. Auch ohne den dezenten Hinweis „No swimming“ ist sofort klar, dass sich Krokodile hier sehr wohl fühlen. Ein ungewohntes Geräusch in der Dunkelheit lässt uns plötzlich aufhorchen. Vorsichtig nähert sich ein Fahrzeug – was hat das zu bedeuten? Kurz darauf richtet sich ein älteres Ehepaar mit Allrad-Fahrzeug auf dem Campingplatz häuslich ein. Nach der langen Zeit in Tansania, wo wir meist die einzigen Touristen weit und breit waren, ist der hiesige Binnentourismus für uns eine der vielen Überraschungen in Sambia.
Vor dem Abendessen treffen sich die Gäste auf einen Aperitif an der Bar, und betreiben zwanglose Konversation. Zum „Socialising“ kosten wir ein Mosi. Das sambische Bier „Mosi-oa-Tunya“ („donnernder Rauch„) trägt den einheimischen Namen der berühmten Victoriafälle. Mark unterhält das illustre Publikum seiner Abendtafel mit witzigen Anekdoten aus seinem Leben. Obwohl sie nur 1,2 % der Bevölkerung stellen, sind unter den Gästen aussliesslich Inder oder Weisse mit europäischen Migrationshintergrund. Wir erfahren in diesen Tagen viel über Politik und Gesellschaft aus der Perspektive der Oberschicht. Sambia gilt als eines der stabilsten Länder Afrikas, trotzdem machen die Wohlhabenden sich vielerlei Sorgen.
Das Ambiente in Kapishya ist „very british“, trotzdem liebt Mark kulinarische Experimente. Als er uns irgendwann in die Küche winkt, hoffen wir auf eine weitere Kostprobe. Schliesslich gab es erst gestern einen köstlichen Rhabarberkuchen mit Vanillesauce! Doch stattdessen stürmt unter lautem Quietschen und Winseln eine Flut getupfter Leiber in den Raum. Mindestens ein Dutzend Dalmatinerwelpen springen aufgeregt durcheinander und veranstalten ein schwarz-weiss geflecktes Chaos. Das Personal erträgt die Invasion mit stoischer Gelassenheit – „1001 Dalmatiner“ auf sambisch.
Feudales Landhaus am Krokodilsee
Nur 20 Kilometer entfernt liegt das Anwesen Shiwa Ng’andu. Marks Grossvater, der britische Aristokrat Steward Gore-Browne verwirklichte hier kurz nach dem 1. Weltkrieg seine Vorstellungen von einem englischen Landsitz. Da die nächste Bahnverbindung schlappe 640 Kilometer entfernt war, musste das Baumaterial mühsam über Flüsse und durch Sümpfe transportiert oder vor Ort hergestellt werden.
Schon die Anfahrt durch die 12 500 Hektar umfassenden Ländereien wirkt auf uns, wie eine skurrile Reise zurück in die Zeit, als Sambia noch Nordrhodesien hieß. Rund um das Anwesen ist ein kleines Dorf im Kolonialstil entstanden mit einfachen Unterkünften, Krankenstation und Schule. Auf lauschigen Wiesen grasen edle Reitpferde neben halbzahmen Zebras.
Dann stehen wir in auf englischem Rasen vor einem feudalen Landhaus . Die Angestellten huschen diensteifrig herum und sprechen den Hausherrn ehrfürchtig mit „Bwana“ („Herr“) an. Dieser präsentiert sich in Gummistiefeln und mit breitem Filzhut. Wer das historische Haus und die ausgedehnte Rinderfarm am „See der königlichen Krokodile“ in Betrieb halten will, muss offensichtlich mit anpacken.
Nach dem Ausflug wartet auch auf uns Arbeit: meine Luftmatratze muss geflickt werden. Als ich die Matte inspizieren will, schrecke ich geschockt vor zurück. Eine tierische Armee hat sich durch den doppelten Zeltboden und meine Schlafunterlage gefressen und ist im Zelt ausgeschwärmt. Die berüchtigte afrikanische Treiberameise soll schon ganze Hühnerställe über Nacht vertilgt haben. Wieder einmal bewährt sich Panzerband als eines der wichtigsten Ausrüstungsgegenstände: Wir flicken das Hightech Leichtgewichtigszelt notdürftig mit Tape zusammen, denn auf unserer Agenda steht ein weiterer Ausflug in die Wildnis.
Über einsame Pfade ins Luangwatal
Zwei Magistralen durchziehen den Osten des Landes. Die Great East Road verbindet die malawische mit der sambischen Hauptstadt. Von der tansanischen Grenze führt die Great North Road bis nach Lusaka. Dazwischen erstreckt sich, eingerahmt von den steilen Flanken des Muchinga Escarpment, das einsame, 700 Kilometer lange Luangwatal, in dem einige der schönsten Naturreservate Sambias liegen.
Als wir zum South Luangwa National Park aufbrechen, kennen wir nur eine vage Beschreibung der Strecke, die selten genutzt wird. Netterweise hat uns Mark noch Benzin besorgt, denn die nächste Tankstelle befindet sich ausserhalb unserer Reichweite an der malawischen Grenze. Die Ortschaft Matumbu nehmen wir gar nicht richtig wahr, so schnell haben wir die spärlichen Häuser auch schon hinter uns gelassen. Kurz darauf endet die Asphaltstrasse. Meterhohes Gras und wuchernde Büsche versuchen, die schmale Fahrspur wieder für die Wildnis zurück zu erobern. In der Mittagshitze verschwimmen die Konturen, wir können kaum die Beschaffenheit des Untergrunds ausmachen. Der wechselt ständig zwischen fest und weich. In den Sandfeldern bricht immer wieder das Vorderrad aus. Bald sind wir nass geschwitzt und Tsetsefliegen umschwirren uns mit lautem Gebrumm.
Stunden später überqueren wir den Luangwa Fluss und erreichen Chama. Die Distrikthauptstadt hat ausser ein paar Hundert Metern Asphaltstrasse wenig Attraktionen zu bieten. Bescheidene Flachbauten scharen sich um einen verlassenen Marktplatz. Ausser einigen Frauen, die für wenige Kwatcha Fettgebackenes verkaufen, können wir nirgends etwas Essbares entdecken.
Im einzigen Restaurant des Ortes duckt sich zusammengewürfeltes Plastik-Mobilar unter bröckelnden Dachpaneelen in einem mindestens 10 Meter langen, dunklen Saal. Die verödete Bar mit gähnend leerer Glasvitrine verheißt auf den ersten Blick nichts Gutes. Doch es wird Nshima mit Tomatensauce, Gemüse und Huhn aufgetischt. Nshima, Ugali oder Pap – der feste Maisbrei wird überall in Afrika gegessen und stopft in erster Linie den Magen. Wir bestellen noch eine Cola dazu. Der Kellner zieht die bunte Syntetiktischtuch schwungvoll beiseite und öffnet den Kronkorken mit einem kräftigen „Plopp“ an der Tischkannte.
Auf Tuchfühlung mit der Tierwelt
Weiter gehts am nächsten Morgen auf einer breiten, holprigen Piste entlang der malawischen Grenze. Nach insgesamt 750 Kilometern erreichen wir zwei Tage später endlich den Nationalpark und werden vom lauten Grunzen der Hippos im Fluss begrüsst.
Die Savannen und Wälder des bekanntesten Tierschutzgebietes Sambias beheimaten einen umfang- und artenreichen Wildtierbestand. Auch eine der seltensten Spezies Afrikas ist im Park heimisch: der Wildhund. Dessen Bestand scheint sich in den letzten Jahren stabilisiert zu haben, auch Dank der Arbeit von Zambia Carnivore Programm.
Da zur Zeit kaum Touristen da sind, erobern sich die Wildtiere auch die angrenzenden Gebiete zurück, wo Campingplätze und Lodges stehen. Direkt vor unserer Nase sonnen sich Krokodile auf den Sandbänken. Bei einem Morgenspaziergang steht Markus plötzlich vor einem stattlichen Elefanten. Nachts hören wir das Brüllen von Löwen und Leoparden ganz in der Nähe.
Die nächsten Tage widmen wir intensiven Nilpferdstudien. Die schwergewichtigen Hippos haben jede Menge zu tun und alles geht unter grossem Getöse vonstatten: Sonnenbaden, im Wasser abkühlen, Rumdümpeln, an den Wasserpflanzen nagen, die Nachbarn angrunzen, Duftmarken setzen. Dabei benutzen die Bullen ihren Stummelschwanz als eine Art Propeller, um ihren Dung lautstark zu verteilen.
Zu einem Gameride (Tiersafari) brechen wir im Morgengrauen auf. Während ich mich noch in den Waschräumen aufhalte, höre ich schon den Fahrer nach uns fragen. Von wegen „African Time“, hier geht es auf die Minute pünktlich los! Schon leicht genervt, taumele ich schlaftrunken aus dem Gebäude, als Markus, mir aufgeregt etwas zuruft. „Ja, ja, komme schon!“ brumme ich und wundere mich jetzt doch, warum er wild herum gestikuliert. Nur wenige Meter von mir entfernt spaziert ein pummeliges Flusspferd durchs Camp und lässt sich mit mächtigem Platscher neben unserem Zelt ins Wasser fallen. Morgenmuffel leben gefährlich in South Luangwa!
Na das ist doch mal ein Traktor!
Sehr schön zu hören, dass es Euch gut geht – und ich liebe Fußfotos :o)
Bin beeindruckt über das farblich zum Himmel passende Zelt. Das nenn ich Stil!
LG
Kö
Lasst euch nicht von dem Elefanten auf den Fuß treten! Ich glaub das tut weh. LG Katja
Bin garnicht neidisch :), lasst es Euch gut gehen.
Viel Spaß noch.
LG
Olli
So viele Monate Nshima, oder…: ist doch eine gewaltige Leistung! Da freud sich Markus auf Rheinischen Sauerbraten und Jutta auf ein paar Veggieburger
Die Uhr läuft
Gab es ein Leben vor Gaffa?
Ich glaube nein .
Ließt sich sehr relaxed.
Viel Spaß weiterhin.
Gruß May
enjoy it
Schön das es euch gut geht.
Weiterhin viel Spaß.
Habt ihr eigentlich endlich mal Heimweh? Ich hab jedenfalls ein kleines bisschen Sehnsucht nach Euch. Also: Seid ihr bald fertig mit dem Rumgetingele?
Spenden via Deutsche Bank hat Geschmäckle …