Wie passiert man eine geschlossene Grenze? Wir fahren erst mal hin. Doch schon allein die Anfahrt stellt eine kleine Herausforderung dar. Ob sie uns dann wirklich reinlassen sollen, überlegen sich die sambischen Behörden gründlich.
Mpulungu, Sambia, 21 889 km
Grenze gesucht!
Das GPS zeigt noch 10 km bis zur Grenze an. Um uns herum nur niedrige Büsche, deren Blätter leise im Wind rascheln. Vor fast zwei Stunden haben wir die Teerstrasse bei Sumbawanga hinter uns gelassen. Über trockene Pisten ging es durch kleine Ansiedlungen. Mit jedem Kilometer wurde die Fahrspur schmaler und sandiger. Hin und wieder kam uns ein Ochsengespann entgegen. Die sonst so lebhaften Tansanier starren uns hier nur perplex an.
Wir sind auf dem Weg zu einem kleinen Grenzübergang nach Sambia. Grenzübertritte verliefen auf unserer Reise nicht immer geschmeidig. Heute wollen wir den heiklen Versuch wagen, in ein Land einzureisen, dass offiziell überhaupt keine Touristen herein lässt. Falls wir den Übergang überhaupt finden. Momentan deutet zumindest nichts darauf hin, dass sich in diesen einsamen Hügeln irgendwo eine Landesgrenze versteckt.
Tatsächlich tauchen aber kurz darauf einige Betonbauten auf. Die tansanischen Grenzer scheinen nichts Ungewöhnliches an unserer Ankunft zu finden. Rasch sind die Formalitäten erledigt. Noch einmal Fieber messen und schon heisst es „Good bye, Tansania!“. Wir queren einen staubigen Streifen Niemandsland und stellen die KTMs vor einem Gebäude mit zwei Büros ab. Eilig winkt man uns zurück zu einem Sanitätszelt. Sofort wird klar, dass man auf dieser Seite die COVID-19 Thematik sehr viel ernster nimmt. Und dass die laxe Haltung des Nachbarland hier gar nicht gut ankommt.
Bange Stunden im Niemandsland
Betont freundlich erläutern wir unser Anliegen. Schweigen auf der Gegenseite. Wir betonen, dass wir uns ja so auf die Victoriafälle freuen, die doch für Touristen kürzlich geöffnte wurden. Der Beamte verzieht keine Miene. Immerhin misst er schon mal unsere Temperatur. Wir schwadronieren weiter und beteuern unser vollstes Verständnis für die sambische Haltung und wie gerne wir mit einem Coronatest unsere vollständige Gesundheit beweisen möchten. Der junge Mann ist offensichtlich „not amused“. Wir sollen 14 Tage in Quarantäne und zwar genau hier im öden Grenzstreifen. Indessen versuchen wir im Gespräch auszuloten, ob sich hier eine unbürokratische Lösung finden lassen könnte. Doch unser Gegenüber wirkt überaus korrekt. Nach viel Hin und Her will er zumindest seinen Vorgesetzten in Lusaka kontaktieren. Wir sollen möglichst weit weg warten und bloss niemanden zu nahe kommen.
Wir kauern uns in den spärlichen Schatten und fühlen uns wie Aussätzige. Die Zeit vergeht, es wird immer heisser. Selten hebt sich der Schlagbaum für ein Motorradtaxi, ansonsten herrscht träge Stille. Die Grenzbeamten halten abseits gemütlich ein Schwätzchen. Mehrfach fragen wir nach, doch man lässt uns weiter schmoren. Dann ist Mittagspause. Unsere Hoffnung schmilzt allmählich in der Hitze dahin. Die ganze beschwerliche Piste zum nächsten grösseren Ort unverrichteter Dinge zurück fahren und dann weiter in Tansania auf unbestimmte Zeit ausharren? Vielleicht müssen wir uns an diesen Gedanken gewöhnen.
Als wir schliesslich kundtun, dass wir bald aufbrechen müssten, um vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Sumbawanga einzutreffen, kommt urplötzlich Bewegung in die Sache. Der Vorgesetzte scheint sein telefonisches Ok gegeben zu haben. Einzige Auflage: wir müssen die Adresse unserer Unterkunft angeben und sollen uns direkt dorthin begeben. Dann geht alles fix. Erklärung zum Gesundheitszustand unterzeichnen, Visum bezahlen, Carnet abstempeln – wir können es kaum glauben! Erst einige Kilometer weiter auf der katastrophal schlechten Piste nach Mbala wagen wir es, anzuhalten und unseren Einreisestempel zu betrachten: wir sind tatsächlich ganz legal eingereist.
Wo der erste Weltkrieg endete
Unterwegs winken die Menschen freundlich. Ein Autofahrer hält extra an und ist neugierig, warum die verrückten Motorradfahrer hier durch den Sand fegen. Die bunten, mit überdachten Veranden bestückten Gebäuden der Distrikthauptstadt Mbala wirken wie ein verlassenes Dorf in einem Western. An einem Verkehrskreisel erinnert eine Tafel daran, dass hier der erste Weltkrieg beendet wurde. Von der höchsten Ansiedlung des Landes windet sich die Strasse nun 1000 Höhenmeter hinab zum tiefstgelegenem Ort Sambias.
Die Nachmittagssonne lässt das mannshohe Elefantengras rotgolden leuchten. Wir flitzen über eine leere Asphaltstrasse mit herrlichen Blicken über hellgrüne Bergketten. Ausladende Mangobäume spenden schilfgedeckten Steinhäusern Schatten. Dann zeigt sich in der Ebene ein blaues Glitzern – nach drei Monaten sind wir zurück am Tanganyikasee!
Wir bleiben einige Tage in Mpulungu, Sambias einzigem internationalen Hafen. Die zusammengewürfelten Hauptstrasse markiert eine wichtigen Handelsposten zwischen Tansania, Kongo und Burundi. Chinesische Investoren haben mit dem Bau moderner Hafenanlagen begonnen. Aber noch herrscht zwischen den Bretterbuden im alten Fischereihafen ein quirliges Gedränge. Von allen Seiten wird getrockneter Fisch herbeigekarrt und von vielen fleissigen Händen in grossen Bastkörben auf LKWs verladen.
Bei einem Ausflug zu den Kalambo Wasserfällen, die beeindruckende 221 Meter in die Tiefe donnern, zeigt uns eine Gruppe junger Sambierinnen, dass Social Distancing hier nicht immer höchste Priorität hat. Wir werden von den ausgelassenen Ausflüglerinnen gedrückt und geherzt und auf unzähligen Selfies verewigt.
Fotos am Abgrund: Unerschrockene Selfie-SammlerinÜberglücklich realisieren wir, dass es uns tatsächlich gelungen ist, nach vielen Tausend Kilometern das südliche Afrika zu erreichen. Noch wissen wir kaum etwas über das Binnenland, in dem wir zu Gast sind, denn nach unseren ursprünglichen Plänen sollte die Route anders verlaufen. Der Lonely Planet Reiseführer schwärmt von “Abenteuern tief in der Wildnis, wo niemals zuvor menschliche Fussabdrücke zu sehen waren.“ Ganz so theatralisch werden unsere Entdeckungen wohl nicht werden, aber wir freuen uns ungemein darauf, wieder richtig zu reisen!
Herrlich mit Euch ein bisschen mit zu reisen! 😉
Immer wieder schön zu lesen 🙂
Viel Spaß und bis bald Herr Kö. Es grüßt Herr A.A. 🙂
Nach 21000 km ist Frau ja auch noch nicht wirklich rumgekommen,geschweige denn gereist. Werdet nicht zu schnell. Die Wasserfälle und Namibia sind nur 1500 km entfernt.
Na zur Not noch ne Runde Schotenboul spielen, wenn’s zu schnell geht.
Viele entspannte Tage und Allzeit die perfekte Boulfläche .
Neue Route, neues Glück! Viel Spaß in Sambia – Hauptsache die KTM´s halten. :0)
Cool, dass ihr es geschafft habt, rüber zu machen ☺️👍 Habt eine schöne Zeit in der Wildnis von Sambia!