Der „wilde Westen“ Tanzanias vermittelt uns das Gefühl, endlich in den unbewohnten Weiten Afrikas angekommen zu sein. Auf dem langen Weg zum Indischen Ozean gibt es viel zu entdecken. Gestrandet sein und Spass dabei – wer hätte das erwartet in diesen verrückten Zeiten?
Ushongo Beach, Tansania, 18 003 km
Rauhe Pisten und wilde Tiere
Entlang des Tanganyikasees verbindet nur eine einsame, fast 400 km lange Buschpiste die grösseren Siedlungen. Endlich mal wieder ein Offroad-Trip nach unserem Geschmack! Schon die Ortsnamen klingen aussergewöhnlich: es geht durch den Zentralafrikanischen Grabenbruch vorbei an Mpanda und über Sumbawanga nach Mbeya.
Wir durchqueren weite, hügelige Savannenlandschaften, die vom vielen Regen nass und dunkelgrün glänzen. An einem Hügel staut sich eine lange Schlange LKWs. Alleine bekommen die Fahrer ihr festgefahrenen Brummis nicht aus dem Schlamm. Also packen alle an, es wird geschoben, gegraben und vor allem viel gelacht.
Der Kativi Nationalpark ist von grossen Flüssen und Sümpfen geprägt. Jetzt, in der Regenzeit, ist der kleine Bach an der Grenze zum Schutzgebiet zu einem tosenden Strom angeschwollen. Die Flusspferde scheinen ihren Spass damit zu haben: sie schwimmen flussaufwärts und schiessen wenig später mit der Strömung wieder an uns vorbei. Wildwasserbahn für Hippos!
Das Gras steht meterhoch, so dass wir bei der Durchquerung des drittgrössten Nationalpark des Landes leider keine Tiere zu Gesicht bekommen. Irgendwo mittendrin machen wir eine Pause und ich halte Ausschau nach einem Plätzchen, um ein dringendes Bedürfnis zu befriedigen. Da bemerke ich plötzlich direkt neben der Piste den frischen Abdruck einer grossen Pfote. Schlagartig ist der Druck auf der Blase verschwunden und wir sehen zu, dass wir zügig weiterfahren.
Abends gönnen wir uns ein Hopfen-Getränk mit dem passenden Namen „Safari“. Auch die anderen lokalen Biersorten klingen nach weiteren Abenteuern: „Killimanjaro“, „Serengeti“ und „Simba“ („Löwe“) runden von nun an unsere Fahrtage angemessen ab.
Quer durchs Land in unruhigen Zeiten
Südlich von Tunduma, der Grenzstadt zu Sambia geht es für uns nicht weiter. Alle angrenzenden Landesgrenzen sind wegen Covid-19 geschlossen. Als wir am Strassenrand Wasser einkaufen wollen, läuft die Verkäuferin schreiend vor uns davon. „Corona, Corona!“
Nach der Devise der Dentists on Bikes sind wir auf dem Weg an die Küste, wo wir ein ruhiges Plätzchen suchen und die Lage sondieren wollen. Die beiden sympathischen Zahnärzte, mit denen wir einige erfrischende Tage in Kigoma verbracht hatten, reisen nach dem Motto: „Erstmal an das Gewitter ‘ran fliegen, Lage studieren und dann entscheiden, bevor man im Vorfeld schon in Panik verfällt“. Ganz anders verhalten sich die meisten der Überlandreisenden, mit denen wir in Kontakt stehen. Sie kehren in diesen Tagen in ihre Heimatländer zurück.
Für uns hat die fast 1000 km weite Fahrt quer durch das Land etwas Unwirkliches. Der Planet versinkt in einer nie dagewesenen „Weltviruskrise“. Während die Gedanken um Infiziertenzahlen und unsere Sorge vor einem landesweiten Lockdown kreisen, lenken wir unsere KTMs durch die Southern Highlands. Wir durchqueren ausgedehnte Grasplateaus und Nadelwälder auf über 2000 m. Durch rauhe Felslandschaften geht dann an einem wild schäumender Fluss entlang, der die Grenze zum Ruaha Nationalpark bildet. Über 10 000 Elefanten sollen das gigantische Naturreservat durchstreifen.
Später wieder fahren wir durch heisse Savannen voller Boabab Bäume. Wir plaudern mit hochgewachsenen Massai, die lässig auf ihre Hirtenstöcke gestützt, uns interessiert zu unsere Reise befragen – mit 5 Metern Sicherheitsabstand. Manch andere Menschen reagieren sehr verunsichert auf uns. Man glaubt, alle Weissen bringen ein tödliches Virus ins Land. Wir verzichten deshalb auf Zwischenstopps in Strassencafes und pausieren nur noch an einsamen Stellen. Insgesamt begegnen uns die Mehrzahl der Einheimischen aber trotzdem freundlich.
Nach vielen Tagen „on the road“ gönnen wir uns schließlich eine Pause am Mikuni Nationalpark. Eine einzige Lodge ist noch geöffnet. Wir haben die komfortable Unterkunft mit Pool und 20 aufmerksamen Angestellten ganz für uns allein. Ebenso exklusiv steht uns ein Auto samt Fahrer für eine Exkursion ins Tierreservat zur Verfügung .
Am Parkeingang winken uns einige Lastwagenfahrer aufgeregt heran. Sie sind mitten im Schutzgebiet mit einem Getriebeschaden liegen geblieben und hatten gerade tierischen Besuch. Und tatsächlich: nur wenige Meter neben der Durchgangsstrasse streift ein stattliches Löwenrudel umher! Der König der Tiere schläft in den relativ kühlen Nächten gerne mitten auf der warmen Asphaltstrasse, berichtet unser Guide. Der Verkehr muss dann halt warten. Entsprechend vorsichtig passieren wir diese Etappe am nächsten Morgen mit dem Motorrad. Aber nur einige friedliche Giraffen und Antilopen beobachten relativ desinteressiert unsere Abreise.
Endlich am Meer!
Jetzt haben wir es fast an den Indischen Ozean geschafft. Allerdings müssen wir noch die 6-Millionen Stadt Dar es Salaam durchqueren. Und das ausgerechnet zur Rush Hour. Dicht an dicht stehen die Fahrzeuge, jeder kämpft um die kleinste Lücke im Stau. Über Seitenstreifen und Bürgersteige mogeln wir uns an der Blechlawine vorbei bis gar nichts mehr geht: Baustelle, die Fahrbahn aufgerissen und mit LKWs verstopft, der Mittelstreifen von einem gut besuchten Markt okkupiert.
Wir zwängen uns mitten in das Gedränge hinein, die Motoren müssen abkühlen, uns tropft der Schweiss aus dem Helm. Plötzlich schießt unter meinem Motorrad eine Fontäne hervor. Menschen umringen uns so dicht, dass ich kaum vom Motorrad klettern kann, um den Schaden zu begutachten. Wir haben Glück im Unglück: ein Kühlerschlauch ist abgerutscht. Während wenige Zentimeter neben uns die Brummis vorbeidröhnen, ist das Leck bald geflickt. Kurz danach fliesst der Verkehr wieder und endlich weht eine leichte Brise vom Ozean heran.
Die nächsten Wochen verbringen wir mit einer ungewöhnlichen Kneipenbekanntschaft. Während Mbuzi auf ihrem Stammsofa liegend aufs Meer hinausschaut, streckt sich Kondo zu ihren Füßen im Sand aus und blickt seine Angebete schmachtend an. Die Ziege wurde von Ken und seiner Frau von Hand gross gezogen. „Kondo, das Schaf, hat eigentlich mal jemand mitgebracht, als wir ein grosses Grillfest hatten.“ erzählt der Tanzanier mit irischem Migrationshintergrund lachend. „Aber irgendwie hat es niemand über sich gebracht, das Tier zu schlachten.“ Jetzt lebt das unzertrennliche Duo in Kens Strandbar und genießt Kultstatus unter den Besuchern aus Dar es Salaam.
Auf den Grill kommt hier nur Meerestiere, die die Fischer morgens in der Lagune gefangen haben. Unsere Selbstisolation lässt sich aushalten: wir wohnen in einer einfachen Lehmhütte an einem einsamen Strand und verbringen die Zeit mit Schwimmen, Schnorcheln und Lesen. Nur selten kommen andere Tagesgäste vorbei. Doch diejenigen, die sich aus dem Haus trauen sind durstig und haben viel zu erzählen.
Irgendwann werden uns allerdings unsere tierischen Mitbewohner zu viel. Die beiden Flughunde in unserer Hütte sind uns sehr sympatisch. Die Vielzahl der Insekten ist durchaus interessant zu beobachten. An die regelmäßigen Raubzüge der Affen haben wir uns längst gewohnt. Aber als sich dann einige nicht näher identifizierbar Nagetiere an unseren Packtaschen vergreifen, ist die Zeit gekommen für einen Ortswechsel.
Entschleunigung
Wir reisen weiter an der Küste entlang gen Norden, indem wir die grossen Städte und engen Kontakt zu Menschen vermeiden. In geschichtsträchtigen Bagamoyo bietet uns die Traveller Lodge mit ihrem weitläufigen Palmengarten eine perfekte Zuflucht. Den schauerlichen Namen – „Bwaga-Moyo“ bedeutet „Leg dein Herz nieder“ auf Swahili – verdankt die ehemalige Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas ihrer dunklen Vergangenheit als bedeutender Handelshafen für Sklaven und Elfenbein. Das historische Zentrum hat heute einen maroden Charme.
Während wir durch die unbefestigten Seitenstraßen schlendern, beeindruckt uns die Herzlichkeit der Bewohner und der gemächliche Rhythmus des täglichen Lebens. Wir möchten uns gar nicht vorstellen, wie sich der Charakter der Stadt verändern könnte, wenn wenige Kilometer entfernt im Rahmen der chinesischen „maritimen Seidenstrasse“ der größte Containerhafen Afrikas entstehen soll.
Weiter nördlich führt nur noch eine schmale Piste an der Küste entlang. Kinder winken uns lachend zu und die Erwachsenen strecken uns begeistert den erhobenen Daumen entgegen, während wir uns durch Schlamm und Spurrillen an unser Etappenziel in der Nähe von Pangani herankämpfen. Da der Flugverkehr mittlerweile eingestellt wurde, haben wir schon lange keine anderen Touristen zu Gesicht bekommen. Umso mehr freuen wir uns, bei Mike’s Beach Cottages ein sympathische deutsches Ehepaar anzutreffen, mit dem es sich die Zeit im Strandrefugium vortrefflich verbringen lässt.
Die Regenzeit, die nun schon seit mehreren Monaten unseren Reisetakt bestimmt, schickt uns zwar noch einmal heftige Niederschläge. Aber wer getrandet ist, hat zumindest einen grossen Vorteil: wenn mal wieder Brücken weggespült oder Pisten überflutet sind, kann uns das ziemlich egal sein. Wir haben es gerade gar nicht eilig.
und wir sind heute durch 2 bundesländer gefahren. einfach so. dä!
Du wilder Punk, du!
Das hört sich doch entspannt an. Sehr gut.
Ein Kringelchen durch Tansania ziehen zu können ,ist nicht das schlimmste was nem Touripaar im Moment passieren kann.
Viel Spaß und kommt nach irgendwo.
Hauptsache nicht viel zu weit nördlich.
Ihr wisst ,ich bekomme schnell Mal Panik wegen Mini-Golf.
Das Lastenrandprojekt hört sich auch gut an. Zur Not,wenn Eure Moped’s an irgendetwas verzweifeln,könnt Ihr ja in der Trockenzeit damit weiter gen Süden zuckeln. Langsamer als gestern beim zähfließenden Radverkehr über die Deutzer Brücke,kann das nicht gehen.
Wir sind gerade wieder Richtung Süden unterwegs und schauen mal, was die Grenzer mit uns anfangen können. In Dodoma gibt es übrigens auch Minigolf, da kommen wir wenigstens nicht aus dem Training.
gestern gabs das erste gezapfte in der lotta seit soo lange. hat fantastisch geschmeckt! ; )
Aber ein kilimanjaro tät ich auch mal probieren wollen…
Kili klingt nicht nur gut, schmeckt auch prima! Bis bald in der Lotta (hoffentlich ohne Plexiglas)!
Boah ist das schön Jutta, habt da noch ne super Zeit! Ich bin inzwischen wegen DIR in der Kickbox Gruppe wieder gelandet 😉 also freu mich auf dich <3 CIAOO
Das ist ja mal ein Grund, sich auf zuhause zu freuen! Bis bald im Ring 😉
Google sagt mir, von Köln nach Mike’s Bach Cottages über den Trans-Sahara Highway nur 158 Stunden und schlappe 11280 km … Ich habe grade neue Reifen am Auto, könnte klappen.
Super, wir stellen dir schon mal ein Kili kalt!
Hallo Markus und Jutta
Toller Beitrag und danke, dass ihr Mike’s Beach Cottages erwähnt habt!
Da ich keine Emailadresse auf eurem Blog finden konnte schreibe ich hier im Kommentar: darf ich euch bitten den Link in eurem Beitrag auf meine Webseite http://www.mikesbeachcottages.com zu machen?
Auch wäre es toll, wenn ihr eine Review auf Google (https://www.google.com/maps/place/Mikes+Beach+Cottages,+Ushongo+Beach,+Tanzania/@-5.5298124,38.9716461,17z/data=!4m2!3m1!1s0x1843755c03446e25:0x2ee64576e321cb34) und Tripadvisor (https://www.tripadvisor.com/Hotel_Review-g644028-d3782974-Reviews-Mike_s_Beach_Cottages-Pangani_Tanga_Region.html) schreiben könntet 😉
Vielen Dank! Ich wünsche euch weiterhin eine gute Reise!
Mike
Klar, machen wir! Liebe Grüße
Spannend geschrieben, Jutta – Danke!
In Ihrefeld ist alles in Ordnung, habe gerade Urlaub und räume ein bisschen auf!
Es grüsst
F.