Desert Highway

Seit rund 5000 Jahren ist der Nil die Lebensader Ägyptens und er speist heute eine der größten Flussoasen der Erde. Mit 97 Millionen Einwohnern hält Ägypten einen weiteren Rekord: die Nilregion ist eine der am dichtesten bevölkerten Flächen weltweit. Als wir über den Desert Highway Richtung Süden aufbrechen, ahnen wir noch nicht, was dies für unsere Reise bedeutet.

Assuan, Ägypten, 4809 km

Gizeh
Geschafft: durch das Verkehrschaos zu den Pyramiden von Gizeh

Wir lassen den Ballungsraum Kairo/Gizeh hinter uns und freuen uns eigentlich auf ländliches Idyll am grössten Fluss Afrikas. Auf den östlichen Desert Highway fahren weit vom Niltal entfernt durch flache Wüste. Die Landschaft ist eintönig, aber wir kommen auf der gut augebauten Strasse zügig voran. Hin und wieder kreuzt ein Fußgänger die Schnellstrasse oder der Wind bläst beängstigende Gestrüppballen über die Fahrbahn.  

Die politische Situation im Land ist unruhig. Der umstrittene Präsident al Sisi regiert autoritär. Seit 2017 gilt im ganzen Land der Ausnahmezustand. Erst kürzlich wurden bei Demonstrationen wieder Tausende Oppositionelle verhaftet. Seit einigen Tagen kann ich die Seite der letzten unabhängigen Online Zeitung nicht mehr aufrufen. Kein Wunder: Ende November gab es laut Spiegel eine Razzia mit Festnahmen bei der regierungskritischen Mada Masr. Mit gemischten Gefühlen passieren wir die zahlreichen Polizei-Checkposts unterwegs, aber vorerst werden wir einfach durchgewunken.

deserthighway
Raststätte am Desert Highway

Unsere erste Etappe führt uns in die Provinzhauptstadt Sohag. Bisher sind uns die Ägypter äusserst freundlich, interessiert und mit höflicher Zurückhaltung begegnet. In Mittelägypten erregen wir für unseren Geschmack ein bisschen zu viel Aufsehen. Nachdem die Region bis in die 90er Jahre als Hochburg muslimischer Extremisten galt, hat sich die Lage längst normalisiert. Es mag aber an der Sicherheitspolitik der Vergangenheit liegen, dass die Einwohner wenig Kontakt zu Touristen gewohnt sind.

Während wir uns verdreckt und müde auf der Suche nach einem Hotel durch den Verkehr schlängeln und Mühe haben, uns dabei nicht aus den Augen zu verlieren, umkreisen uns johlende und hupende Mopedfahrer, die unbedingt ein Foto mit uns machen wollen. Beim Besuch eines Klosters am nächsten Morgen müssen wir sogar die Flucht ergreifen, als mehrere Schulklassen beim Selfie-Schiessen mit mir völlig aus dem Häuschen geraten.

Welcome to Egypt
Überall werden wir freundlich Willkommen geheißen

Um die archäologische Stätte Abydos zu besichtigen, müssen wir uns eine lange über die Landstrasse kämpfen, wo das Gewusel von Tuktuks, Eselkarren, Mopedrikschas und zerbeulten Fahrzeugen unbeschreiblich ist. Die Besiedlung reisst nicht ab, von der Strasse sind oft nur Fragmente übrig. Der Verkehr verdichtet sich an Kreuzungen zu einem unentwirrbaren Knäuel. Im Schneckentempo eiern wir an schnurgeraden Bewässerungskanälen entlang, die von Müllbergen verstopft werden. 

Seit Generationen lebt man in Luxor schon vom Tourismus, hier interessieren sich vornehmlich die Kutsch- und Taxifahrer für uns. Im Rezeiky Camp können wir etwas verschnaufen und die ersten anderen „Overlander“ treffen. Im ruhigen Innenhof und bei kühlem Stella Bier lässt es sich wunderbar plaudern und wichtige Reise-Infos austauschen. Wir besichtigen den mächtigen Karnak Tempel mit Tanja und Armin und geniessen die abendlichen Gespräche mit den sympatischen Autoreisenden.

Definitiv nicht der Gewürzhändler unseres Vetrauens

Auf dem Weg nach Edfu zeigt sich uns der der Nil kurz von seiner romatischen Seite. Der Fluss glitzert zwischen saftigen Feldern und Palmen. Esel trippeln an üppigen Bougainville vorbei. Es riecht nach Zuckerrohr.

Doch die vielgepriesene Magie des Nils weicht bald wieder hinter staubigen Betonfassaden zurück. Als wir schliesslich Assuan erreichen, staunen wir nicht schlecht, dass sich auch dieser einst so beschauliche Ort zu einer lauten Großstadt entwickelt hat.

Kaum auszumalen, dass Ägyptens Bevölkerung jedes Jahr um weitere zwei Millionen Menschen wächst. Laut Prognosen der Uno wird sich die Zahl der Einwohner bis 2075 verdoppeln. Uns erscheint es jetzt schon so, als stünde das Land kurz vorm Kollaps. Wir werden in Kürze in den Sudan weiter reisen. Zwar haben wir keine idyllischen Landschaften im Niltal gefunden, aber die freundlichen Menschen werden wir in guter Erinnerung behalten. 

 

10 Kommentare bei „Desert Highway“

  1. Es freut mich sehr immer von euch und den interessanten Berichten zu lesen 😊

    Liebe Grüße aus Deutschland

  2. Immer spannend Eure Berichte! In der Kürze liegt EWure Würze – und ikn der Beständigkeit. Bleibt gesund!
    Liebe Grüße, Heribert

  3. Vielen Dank für eure Kommentare! So macht das Schreiben noch mehr Spaß 😉
    Sonnige Grüße aus der Wüste!

  4. Auch in München ist die Überbevölkerung ein großes Problem 😕. Weiterhin gute fahrt

  5. Hi Ihr, habe erst jetzt endlich geschafft Eure Berichte zu lesen, sehr interessant , bleib jetzt dran! Viele tolle Berichte, Spass und Erfolg,
    Uwe

    1. Schön von dir zu hören, freut uns, dass du mitliest! Viele Grüße, Jutta und Markus

  6. It was great to meet you guys. Ride safe.

  7. Viel Spaß und bleibt gesund!
    Gute Reise weiterhin.

  8. Mein lieber Markus, meine Frau und ich sind vom 27. Oktober bis zum 9. November mit einem Nilkreuzfahrtschiff von Kairo nach Assuan gefahren. Das gemütliche Tempo machte es möglich, die phantastische Nillandschaft Kilometer für Kilometer in sich einzuhauchen. Das Sitzen auf dem Deck war Entspannung pur und wirkt auch nach inzwischen wieder vier Wochen Büroalltag nach. Und Tempel plus Höhlenmalereien haben wir auch genug gesehen. Höhepunkte natürlich die Pyramiden mit Sphinx und Abu Simbel.

    Interessant ist Eurer Verweis auf Sohag. Wir waren in Mittelägypten ebenfalls in zwei Städten (Al Minya und Sohag), die wir allerdings nur in Polizeibegleitung besuchen durften. Polizeibegleitung bedeutet: Drei Polizisten mit Stahlhelm, Maschinengewehr, Schutzweste und Gesichtsvermummung ausgestattet. Daneben normale und Zivilpolizisten. Man kam sich beim Durchschreiten der Städte vor, wie Zootiere, die von den Einheimischen bestaunt werden. Jeder Kontakt verboten, auch zu Kindern! Unsere Reiseleitung erklärte dies damit, dass man das Anschlagsrisiko minimieren und eine negative Berichterstattung in deutschen Medien über Anschläge vermeiden wolle. Die Ägypter sind froh, dass wieder Touristen kommen. Natürlich hatte man in Mittelägypten ein beklemmendes Gefühl. Dafür kann man aber in Luxor frei rumlaufen. Dort herrscht „Multikulti.“

    Übrigens, einer der ersten Sätze unseres Reiseleiters: Sehen Sie Ägypten nicht mit deutschen Augen. Sehen Sie Ägypten mit ägyptischen Augen.

    1. Danke für Ihren ausführlichen Kommentar zu meinem Beitrag. Mit dem Motorrad überland durch Ägypten zu reisen, ist oft beschwerlich und bisweilig wenig idyllisch. Dafür sind wir immer „mitten drin“ und haben aus dieser Perspektive viel Kontakt mit der Bevölkerung.

      Ich bemühe mich, die Essenz der Gespräche, die wir mit Einheimischen führen, in meine Posts einfliessen zu lassen. Ägypten hat aktuell viele Herausforderungen zu meistern. Nach unserem Eindruck sind Themen wie z.B. Wasser- und Stromversorgung, Mangel an Ackerland, Müllentsorgung, Infrastruktur für die Menschen, die hier leben, von hoher Brisanz.

      Uns ist es in Mittelägypten ähnlich wie Ihnen gegangen. Die Regierung betreibt einen immensen Aufwand, um Touristen in dieser Region abzuschirmen. Für uns bedeutete dies: lange Etappen im Polizeikonvoi und eskortierte Ausflüge zu den Sehenswürdigkeiten. Markus wird dazu noch einen gesonderten Artikel schreiben.

      Wir hoffen, dass Ihre Urlaubsentspannung noch lange vorhält und wünsche Ihnen eine geruhsame Adventszeit!

      Viele Grüße, Jutta Hartmann

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