Zwischen Nil und Mondbergen

Virunga vulkane

Wo der Nil entspringt war lange Zeit die entscheidende Frage im Verteilungswettkampf der europäischen Kolonialmächte. Das „Herz Afrikas“ wollten verschiedene Expeditionen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ostafrika finden. Auf unserer Route durch Uganda erkunden wir einsame Pisten zwischen Nilquelle und den Mondbergen.

Kisoro, Uganda, 13 792 km

Zurück am Nil

erstes Nil-Katarakt hinter dem Victoriasee

Mitten im saftigen Grün brodelt und schäumt die Gischt. Das mächtige Tosen der Stromschnellen ist auch in der Nacht zu hören. An dem traumhaften Blick auf die Nilfluten in der The Haven – Lodge können wir uns tagelang nicht satt sehen. Zum Glück gibt es bei dem sympathischen deutschen Besitzer einen „Overlander-Rabatt“.

Die Übernachtungspreise bewegen sich nämlich vielerorts auf europäischen Niveau. Heute vermarktet sich Uganda als „Perle Afrikas„. Längst sind die kriegerische Nachkolonialzeit und Idi Amins Gewaltherrschaft nur noch Geschichte. Der 75jährige Dauerpräsident  Museveni gilt vielen als Garant für Stabilität, auch wenn er vor allem von der jungen Bevölkerung zunehmend kritisiert wird. 

Vor mehreren Tausend Kilometern haben wir den Blauen Nil am Tanasee in Äthiopien hinter uns gelassen. Jetzt treffen wir den imposanten Strom als „Weissen Nil“ kurz hinter seiner vermeintlichen Quelle wieder. Der Afrikaforscher John Henning Speke hat 1862 den Austrittspunkt des Flusses aus dem Victoriasee zur dessen Quelle erklärt. Die Ripon-Wasserfälle bei Jinja sind durch eine in den 50er Jahren errichtete Staumauer mittlerweile verschwunden. Die vier verbleibenden Nil-Katarakte dienen heute als besondere Touristenattraktion.

Immer diese neugierigen Nachbarn!

Während die Einheimischen an den Ufern ihre Wäsche waschen und Flusschiffer mit einfachen Holzkanus im Flussbett nach Sand graben, driften wir mit einer White Water Rafting Gruppe kreischend vorbei. Gleich der erste Wasserfall ist eine donnernde weisse Steilwand mit Grad 5 auf der Wildwasser-Schwierigkeitsskala. „Paddle harder, harder, harder!“ brüllt unser Bootsmann mit den Rastahaaren und alle geben ihr bestes. Mit einem knallroten Schlauchboot schiessen wir auf den Schaumkronen dahin und werden von der Wucht der Wellen kreuz und quer durcheinander geworfen. Am Ende des feucht-fröhlichen Tages sind wir erstaunlicherweise das einzige Gefährt der Gruppe das nicht gekentert ist. 

Zurück auf zwei Rädern queren wir einige Tage später das tropische Binnenland in westlicher Richtung. Im üppigen Grün produzieren werden Reis, Maniok und Bohnen für den Eigenbedarf produziert, größtenteils ohne Machinen. Wir passieren schlichte Dörfer inmitten  glänzender Tee- und Kaffeplantagen. Um das Städtchen Fort Portal herum liegen etliche Kraterseen verstreut, von denen einige bis 400m tief sein sollen.

Schwerlasttransporte auf dem Weg zur Sammelstelle

Wir lassen uns einige Tage am Lake Nkuruba nieder und erfreuen uns an den verschiedenen Affenarten, die hier in den Bäumen herumturnen.  Über rote Lehmpisten geht es dann weiter südwärts. Am frühen Morgen sind viele Menschen zu Fuss oder mit dem Boda Boda (Mopedtaxi) unterwegs. In bunte Tücher gekleidete Frauen balancieren grosse Töpfe oder Pflanzenbüschel auf dem Kopf. In Uganda soll es 50 verschiedene Bananensorten geben. Kleinbauern bringen ihre Ernte auf Fahrrädern zur nächsten Verladestation. Eine grosse Staude rechts, eine links, mehrere grosse Gewächsstängel quer über den Gepäckträger – mit dieser immensen Last strampeln, schieben und mühen sich allerorts schwitzende Gestalten über die Hügel.  

Bei den Regenmachern

Dunkle Berge türmen sich vor uns auf, deren schroffe Wipfel sich hinter Wolkenfetzen verschanzen. Die bis über 5000 m hohen Rwenzori-Berge bilden das dritthöchste Gebirge Afrikas. Die Lanschaften der legendären Mondberge sind spektakulär – hier treffen Gletscher auf Regenwald. Der Name des Felsmassivs bedeutet „Regenmacher“ oder „Wolkenkönig“. Kein Wunder also, dass einige Forscher die Quelle des Nils hier verorteten.

Doch auf dem Weg nach Kilembe strahlt heute die Sonne. Das Bergarbeiterdorf, das sich in symmetrischen Reihen um die grösste Kupfer und Cobalt-Mine Ugandas gruppiert, hat schon bessere Tage gesehen: Holzbaracken scheinen in der Mitte entzwei zu brechen, zerfallene Lagerhäuser wirken, als wäre ein Tornado hindurch gefegt. Haben wir versehentlich die Grenze zum Kongo überquert? Das Land, in dem ein Krieg tobt, den keiner versteht, liegt nicht weit entfernt westwärts.

Im bizarren Dickicht der Regenmacher

Von Kilembe aus ziehen wir am nächsten Morgen mit 9 Personen in die Berge: 2 Bergführer, 1 Koch und jede Menge Träger sind nowendig, damit wir zwei „Mzungu“ (Weisse) es vier Tage durch die Wildnis schaffen. Wir starten auf 1400 m und sind schon nass geschwitzt als wir den Eingang zum Nationalpark erreichen.

Schlagartig beginnt hier der Tropischer Regenwald, scharfkantige Bergrücken mit dichtem tiefgrünen Blattwerk türmen sich vor uns auf. Über Hängebrücken und auf schmalen Pfaden so steil bergauf, dass wir uns teilweise an Baumwurzeln hochziehen müssen. „Meine“ Bergführerin Barbara geht mit langsamen Schritt voraus und ich folge ergeben ihrem stetigen Rhythmus immer weiter hinauf. Am Nachmittag erreichen wir unser Camp: einige einfache Holzhütten, zwei Plumsklos. Gebadet wird im eiskalten Fluss.

Am folgenden Tag queren wir einen Bambuswald. Die Stengel ragen 4-5 m hoch und tauchen alles in ein hellgrünes Licht. Die Luft wird langsam dünner. Keuchend schleppe ich mich die steilen Hänge hinauf. Bald heisst es: Gummistiegel anziehen! Ab der sog. „Heather Zone“ waten wir durch tiefe Schlammlöcher. Die Landschaft ist märchenhaft mit bis zu 8 Meter hohen Riesenlobelien und Heidekräutern. An den Bäume wehen lange Bärte aus Flechten und Moosen.

Erfolgreiche Gipfelstürmer

Am Abend habe ich grosse Zweifel, ob ich den kräftezehrenden Anstieg zum Mutinda Lookout auf knapp 4000m schaffen werde. Aber unser Team vom Rwenzori Trekking Services umsorgt uns wieder so grossartig, dass wir am nächsten Morgen voller Tatendrang aufbrechen. Einatmen, Klettern, Ausatmen – konzentriert hangeln wir uns den gigantischen Felsturm hinauf. An den steilsten Stellen sind klapprigen Leitern angebracht, jede einzelne Stufe kostet ungeheure Kraft. Doch dann ist es geschafft! Mit leuchtenden Augen blicken wir auf die wunderschöne Bergwelt hinunter. In der Ferne leuchten das Massiv der Stanley Gebirge in der Morgensonne.  

Elefanten zum Frühstück 

Ausser dem unheimlichen nächtlichen Kreischen der Klippschliefer, hatten wir in den Rwenzoris kaum Tierbegegnungen. Die Bestände haben sich noch nicht von der Wilderei durch Rebellengruppen erholt, welche die Berge während des Kongokrieges als Rückzugsgebiet nutzten.  Im äusserten Süden von Uganda kommen wir aber in Hinblick auf Tierstudien noch einmal voll auf unsere Kosten. 

Der Queen Elizabeth Nationalpark ist einer der wenigen Tierreservate, den wir mit dem Motorrädern durchqueren dürfen. Am Rander der breiten Lehmpiste tummelt sich Affen. Bei einer Bootsfahrt im Kazinga-Kanal wir die vielen Hippos kaum zählen. Sogar einige Schimpansen können wir auf einer schönen Wanderung im Kalinzu Forest Reserve weit oben in den Baumkronen ausmachen. 

Aufatmen, als der Koloss verschwindet

Doch die eindrucksvollste Begegnung haben wir im Vorgarten einer kleinen Lodge. emächtlichen Schrittes spazieren dort vier grosse Elefantenbullen mit mächtigen Stosszähnen rund um die Bungalows herum. Sie fressen sich gemächlich von Baum zu Baum und reißen manchmal mit lautem Krachen einen Ast ab. Fasziniert und in gebührendem Abstand folgen Touristen und Personal den ungewöhnlichen Frühstücksgästen.

Dann nehmen zwei Tiere Kurs in Richtung der orangenen Motorrädern. Wir werden nervös. Der Busch direkt hinter den KTMs scheint besonders schmackhaft zu sein. Jetzt wird das Gebüsch kräftig in die Mangel genommen. Davor steht aber eine Enduro! Uns stockt der Atem als ein Elefantenschwanz Markus Maschine streift. Doch dann wendet das mächtige Tier geschickt auf engsten Raum und verschwindet im Unterholz. 

11 Kommentare bei „Zwischen Nil und Mondbergen“

  1. mondberge. geil

    meine dr steht in marokko in einer garage und ich befürchte ich muss bis nächstes jahr miete zahlen… ; (

    1. Ach je, da bist du ja in die denkbar ungünstige Reisezeit geraten. Was für ein Pech!

  2. Andrea Wester sagt:

    Liebe Jutta!
    Wie beruhigend, von euch zu hören!
    Ich hoffe sehr, dass ihr gesund seid und es euch den Umständen entsprechend gut geht!
    Liebe Grüße von Deiner Kollegin Andrea Wester

    1. Liebe Andrea, uns geht es gut. Wir sind in Tansania am Meer und hoffen, dass dieser Wahnsinn bald ein Ende hat. Viele liebe Grüße!

  3. Moin Ihr Zwei Glücklichen,
    sehr erfrischend Euren Bericht zu lesen.
    Wir hängen leider fest, nix geht, nächstes Jahr hoffentlich wieder!!
    Viel Spaß und Gesundheit und immer schön oben bleiben.
    LG
    Olli

    1. Vielen Dank, lieber Olli! Wir sitzen aktuell auch in Tansania fest. Uganda haben wir im Februar/März besucht, hatten bisher aber den Kopf nicht frei genug, um den Bericht zu schreiben. Die Zeit der unbeschwerten Abenteuer ist auch für uns erst mal weitestgehend vorbei, aber wir können trotzdem nicht klagen. Haltet ihr Zuhause tapfer weiter durch und bleibt gesund! LG

  4. Liebe Jutta, lieber Markus. Gut zu hören das es euch gut geht. In welcher Ecke steckt ihr jetzt in Tansania? Ich schicke dir am Wochenende die Bilder aus der Villa Dahl.
    Ich wünsche euch beiden weiterhin alles Gute bei eurer Reise und bleibt mir bitte gesund.
    Liebe Grüße Sven

  5. Leute, Leute – Ihr müsst mal dafür sorgen, daß nicht immer irgendein Viehzeuch um Eure Mopeds schleicht. Es liegt mit Sicherheit an der Farbe 😉
    Haltet durch!
    Gruß Frank
    PS.: In der Frickelhalle ist alles wie immer!

  6. Ich wunder mich,das es noch Alufolie zu kaufen gibt,so sehr hat sich die Nachfrage nach dem praktischen Aluhut erhöht. Ich persönlich halte es dann doch eher mit den Empfehlungen von Präsident Magfuli und vertraue auf Gott und gehe in die Kirche.
    Zur Sicherheit spritze ich mir natürlich auch Desinfektionsmittel,so wie es Trump empfiehlt. Ansonsten ist hier alles normal bekloppt.
    Endlich wieder Autos auf den Straßen,die mit einer Handbreite an mir vorbei fahren,Sirenen und Autos übertönen wieder das nervige Vogelgezwitscher und geplärre der Kinder. War kaum zum aushalten, wenn nicht freundliche Polizeihubschrauber im Schritttempo den Rhein abfliegen würden und der erdrückenden Stille etwas entgegen gesetzt hätten.Die Union kratzt an den 40% und Söder hat 94% Zustimmung.
    Wenn alles gut geht, gibt’s eine Neuauflage der Abwrackprämie und Ihr könnt Euch dann endlich ein Auto leisten. Seid nicht mehr auf die unbequemen Moped’s angewiesen.
    Ansonsten wünsche ich Euch viel Mehl ,Hefe und Klopapier.
    Backt was leckeres daraus.
    Mit Pasta als Topping
    Langweilt Euch nicht
    Gruß May

  7. Liebe Jutta, lieber Markus, wie schön…wer schreibt von Euch, das ist ziemlich sehr gut :). Passt auf Euch auf und bleibt lieber da im Abenteuer. Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass manchmal Heimweh herrscht..
    Liebe grüße Eure Andrea

  8. Unfassbar abenteuerlich, was ihr da so erlebt, finde ich super!
    Würde so gern noch viel mehr Bilder sehen….aber die zeigt ihr bestimmt mal ausgiebig, wenn ihr wieder in Kölle seid! Hoffe ich jedenfalls 🙂 Ihr müsst doch für uns, die wir nur noch zu Hause hocken, mitabenteuern! Toitoitoi, dass es bald wieder weitergehen kann. Nicht, dass ihr noch anfangt zu surfen oder so ein Quatsch…
    Liebe Grüße aus der Eifel,
    Astrid***

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